Neue e_ID Schweiz

Die Identitätskarte kommt aufs Smartphone: Was du jetzt wissen musst

Florian Bodoky
Florian Bodoky
6.12.2023




Letzte Woche hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider das Projekt «e-ID» vorgestellt. Ab 2026 sollst du eine gültige, anerkannte Schweizer Identitätskarte auf dein Smartphone laden und dich damit ausweisen können. Ich fasse dir die wichtigsten Antworten rund um die elektronische Identifikation zusammen.

Der Bund nimmt einen neuen Anlauf zur E-ID. Diese kannst du aufs Handy laden und dich damit ausweisen. Die Chancen, dass sie jetzt kommt, stehen deutlich besser als beim ersten Versuch – denn der Bund will sie selbst herausgeben, wie Bundesrätin Baume-Schneider erklärt. Allerdings dauert es noch ein wenig, bis es soweit ist.






Die Vorgeschichte: Der erste Anlauf ist an der Urne gescheitert

Vor einigen Jahren gab es einen Plan für einen elektronischen Identifikationsnachweis. Der grosse Unterschied zum jetzigen Projekt bestand darin, dass dieser zwar im Auftrag des Bundes, aber nicht vom Bund selbst hätte ausgestellt werden sollen. Dafür wäre ein privates Unternehmen zuständig gewesen.

Gegen diese Form der E-ID – oder genauer gesagt gegen das geplante «Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste» – wurde das Referendum ergriffen. Am 7. März 2021 kam es zur Abstimmung. 64,4 Prozent der Stimmenden haben das Gesetz abgelehnt. Die Rolle des Privatunternehmens gilt als Knackpunkt der klaren Ablehnung der Vorlage. Die Gründe für die Ablehnung wurden aber nie statistisch erhoben.

Neuer Anlauf: Der Bund plant fast nahtlos eine neue Lösung

Am 10. März – also in der Folgewoche der Abstimmung – wurden sechs Motionen für eine E-ID eingereicht (21.3124, 21.3125, 21.3126, 21.3127, 21.3128 und 21.3129). Es sollte aus Sicht des Parlaments trotzdem eine E-ID geben. Allerdings sollte der Bund diese ausgeben. Der Bundesrat tat wie geheissen: Am 26. Mai 2021 beauftragte er das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), eine staatliche Lösung für die E-ID auszuarbeiten. Dabei erhielt das EJPD Hilfe von der Bundeskanzlei (BK) und dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD). Nach einer öffentlichen Konsultation legte der Bundesrat am 17. Dezember 2021 die Grundsätze für die Ausgestaltung einer solchen e-ID fest.


So sah der alte Entwurf aus Neu gibts keinen externen IdP mehr und der Bund  das FedPol bernimmt alle Aufgaben
So sah der alte Entwurf aus. Neu gibt’s keinen externen IdP mehr und der Bund / das FedPol übernimmt alle Aufgaben.
Bild: MLL News


Nach der Vernehmlassung verabschiedete der Bundesrat am 22. November 2023 den Gesetzesentwurf. Im neuen Entwurf gibt es durchaus noch Stolpersteine. Zusätzlich zum Vernehmlassungsverfahren gab es regelmässigen Austausch zwischen dem Projektteam des Bundes und verschiedenen Interessengruppen. Dazu gehörten auch jene, die sich beim ersten E-ID-Gesetz für das Referendum stark gemacht haben. Diese konnten Stellungnahmen verfassen und Inputs einbringen. So gibt es Einzelheiten des Gesetzes, die noch zu wenig konkret formuliert sind – oder gewisse Punkte, die im Gesetz noch gänzlich fehlen. Auf diese gehe ich später noch ein.

Die wichtigsten Fragen zur E-ID

Was kann ich mit der E-ID machen?

Prinzipiell hat die E-ID denselben Zweck wie eine normale ID. Du sollst dich damit ausweisen können. Online, zum Beispiel beim Shopping, aber auch in Person.

Die Idee der E-ID geht noch weiter. So soll für die App, die es für die E-ID braucht, ein Ökosystem aufgebaut werden, das wie die Apple- oder Google-Wallet funktioniert. Es soll auch Kantonen, Gemeinden und Privaten zur Nutzung offenstehen. So sollst du auch Diplome, Zeugnisse, Rezepte vom Arzt oder Tickets in das System laden können.


Eine Arztpraxis kann ein beglaubigtes Rezept ins kosystem laden
Eine Arztpraxis kann ein beglaubigtes Rezept ins Ökosystem laden.
Bild: Shutterstock/Krakenimages.com


Auf Kantons- und Gemeindeebene soll es möglich sein, Dinge wie einen Heimatausweis, einen Betreibungs- oder Strafregisterauszug online bestellen zu können. Du sollst dich auch beim Einwohneramt bei Zu- oder Wegzug melden können. Mit der E-ID weist du dich dann aus und speicherst die nötigen Dokumente im Ökosystem.

Wird die E-ID obligatorisch?

Nein. Schon Karin Keller-Sutter, die Vorgängerin von Elisabeth Baume-Schneider im EJPD, hat das Versprechen abgegeben, dass dies nicht passieren wird (ab Minute 6:28).

Die E-ID wird die klassische ID im Kartenformat nicht ersetzen, sondern lediglich ergänzen.

Welche Daten werden auf der E-ID gespeichert?

Das Fedpol, welches die amtlichen Ausweise letztlich ausstellt, bekommt gemäss dem Direktor des Bundesamts für Justiz nicht mehr Daten, als es ohnehin schon hat. Also die gleichen Daten, die es für eine klassische ID oder einen Pass braucht – wie Name, Grösse, Augenfarbe und so weiter.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Der Bund verfolgt bei der Ausarbeitung des Gesetzes und der technischen Umsetzung der E-ID drei Prinzipien.

  1. Self-Sovereign Identity: Du sollst die grösstmögliche Kontrolle über deine eigenen Daten haben. Darum wird die E-ID nur bei dir auf dem Smartphone gespeichert. So hast du die alleinige Kontrolle darüber, wann und wo du die E-ID einsetzt.

  2. Privacy by Design: Der Datenschutz, respektive die Datenschutzgesetze der Schweiz, werden bereits bei der Entwicklung der E-ID und des Ökosystems berücksichtigt. Beispielsweise wird der Bund nie erfahren, wann und wo du die E-ID einsetzt.

  3. Privacy by Default: Das Prinzip Privacy by Default bedeutet, dass prinzipiell alles verboten ist, was du als E-ID-Besitzer oder -Besitzerin nicht ausdrücklich erlaubst. Kaufst du beispielsweise Alkohol in einem Online-Shop, erfährt der Verkäufer nur dein Geburtsdatum – sonst nichts. Es sei denn, du gestattest es. Der Hintergedanke ist, dass Personen, die technisch nicht so versiert sind, nicht unwissentlich zu viele Daten von sich preisgeben. Diese denken vielleicht nicht daran, Optionen zu deaktivieren.

Wer darf eine E-ID haben?

Das ist eine der Fragen, die noch nicht final geklärt sind. Grundsätzlich bist du zum Bezug einer E-ID berechtigt, wenn du eine Schweizer ID oder einen Schweizer Pass hast. Aber auch, wenn du über einen in der Schweiz ausgestellten Ausländerausweis verfügst. Im Moment wird noch abgeklärt, ob allenfalls auch andere Personengruppen eine E-ID haben können. Zum Beispiel Grenzgänger, Zweitwohnungsbesitzende, diplomatisches Personal oder Sans-Papiers.

Wie bekomme ich eine E-ID?

Sobald es so weit ist, wird der Bund eine kostenlose App zur Verfügung stellen. Mit dieser kannst du deine klassische ID einscannen. Danach machst du noch ein Selfie. Dieses wird an den Server des Fedpol übermittelt und über bestimmte Merkmale abgeglichen. Danach bekommst du die E-ID automatisch in der App auf dein Smartphone. Die Verantwortlichen haben zudem beschlossen, dass der Bund auch den technischen Support übernimmt.

Ist die E-ID barrierefrei?

Die Barrierefreiheit soll berücksichtigt werden. Zahlreiche Institutionen wollen, dass anerkannte und unabhängige Stellen dem Bund über die Schulter schauen. Diese sollen sich so überzeugen können, dass alle technisch möglichen Massnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit ergriffen werden.

Was kostet die E-ID?

Für die nächsten fünf Jahre rechnet der Bund mit Entwicklungs- und Betriebskosten von 182 Millionen Franken. Danach, also ab 2029, belaufen sich die Betriebskosten auf 25 Millionen Franken jährlich. Die Nutzung soll aber kostenlos sein.

Wie lange ist die E-ID gültig?

Das ist ebenfalls ein Punkt, der noch nicht geklärt ist. Verschiedene Interessengruppen fordern, dass eine E-ID gleich lange gültig ist wie eine analoge ID in Kartenform. Also zehn Jahre. Wegen der Datensicherheit kann es aber auch sein, dass die Gültigkeitsdauer kürzer sein wird. Im aktuellen Gesetzesentwurf ist es dem Bundesrat überlassen, dies zu entscheiden.

Kann ich die E-ID im Ausland einsetzen?

Voraussichtlich ja. Die E-ID soll internationalen Standards entsprechen. Das Gesetz ist entsprechend technologieneutral formuliert.


Die Idee ist dass die E-ID auch im Ausland akzeptiert wird Die blau eingefrbten Staaten sind EU-Mitglieder die gelben potenzielle EU-Bewerber
Die Idee ist, dass die E-ID auch im Ausland akzeptiert wird. Die blau eingefärbten Staaten sind EU-Mitglieder, die gelben potenzielle EU-Bewerber.
Bild: Freepik


Das bedeutet, dass die E-ID in ihrer Entwicklung nicht per Gesetz an eine bestimmte Technologie gebunden ist. So kann sich der Bund rascher an neue technologische Entwicklungen anpassen.

Wann kommt die E-ID?

Der Bund plant, dass die E-ID ab 2026 zur Verfügung stehen soll. Allerdings sind IT-Projekte häufig kompliziert. Das heisst, dass in der Entwicklung Probleme auftreten können, die der Bund nicht vorausgesehen hat. Dann verzögert sich das Ganze eventuell. Stand heute darfst du aber 2026 damit rechnen.

Kritik an der E-ID

Der Bund hat im Rahmen der Ausarbeitung des Gesetzes regelmässige Videokonferenzen mit verschiedenen Interessengruppen durchgeführt. Dabei gab es aus allen möglichen Lagern Bedenken hinsichtlich des Gesetzes oder der E-ID generell. Der meist kritisierte Punkt betrifft den Datenschutz. Zum Beispiel befürchten etwa der Kanton Zürich oder die Piratenpartei Schweiz, dass es zu einer sogenannten Überidentifikation kommen könnte. Das bedeutet, dass du dich – weil es die E-ID so einfach macht – für Dinge ausweisen musst, für die vorher keine Identifikation erforderlich war. Oder dass Daten von dir gefordert werden, die für einen bestimmten Zweck nicht notwendig wären – etwa um heimlich ein Werbeprofil für dich anzulegen. Sie verlangen deshalb, dass Daten nur einmalig kontrolliert, aber nicht gespeichert oder vervielfältigt werden dürfen.

Andere finden es zu ambitioniert, dass der Bund neben der E-ID selber noch ein Ökosystem für weitere Ausweise entwickelt und anbietet. Sie finden, der Bund solle sich auf das Ausstellen der Ausweise beschränken – dies sei seine Aufgabe. Dann gibt es Player wie etwa GastroSuisse, die Angst haben, dass es für die Altersverifikation in einem Restaurant teure Infrastruktur braucht. Sie möchten deshalb, dass Private freiwillig entscheiden dürfen, ob sie die E-ID akzeptieren.

Wenn du sämtliche Kritikpunkte und Fragen nachlesen möchtest, hat sie der Bund hier für dich zusammengefasst.

Wie geht’s jetzt weiter?

Der Gesetzentwurf wurde dem Parlament vorgelegt. Dieses muss ihn annehmen. Da sich im Vorfeld zahlreiche Interessengruppen gemeldet und die Vorlage kritisiert haben, dürfte wohl noch einiges an Arbeit auf die Verantwortlichen zukommen.


Die Wahrscheinlichkeit dass das Gesetz vom Parlament zurckgewiesen wird und nochmals berarbeitet werden muss ist gross
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Gesetz vom Parlament zurückgewiesen wird und nochmals überarbeitet werden muss, ist gross.
Bild: Florian Bodoky


Wird das Gesetz vom Parlament angenommen und publiziert, besteht zudem die Möglichkeit, das sogenannte fakultative Referendum zu ergreifen. Dafür müssen innert 100 Tagen 50 000 gültige Unterschriften zustandekommen. Dann wird vom Volk über das Gesetz abgestimmt. Ergreift niemand das Referendum oder gelingt die Unterschriftensammlung nicht, tritt das Gesetz in Kraft.

Titelbild: EJPD